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Bub auf Koffer mit Tafel KT01.jpg

Skulptur - Für das Kind

von Flor Kent

Zwischen 1938 und 1939, noch vor Ausbruch des 2. Weltkrieges, wurden im Zeitraum von 9 Monaten 10.000 meist jüdische Kinder aus Deutschland, Österreich, der ehemaligen Tschechoslowakei und Polen vor der Verfolgung durch das NS-Regime gerettet. Mit den so genannten „Kindertransporten“ wurden die Kinder aus ihrer Heimat mit der Bahn nach England gebracht, um so ihr Leben zu retten.

 

Der „Kindertransport“ war eine Rettungsaktion, eine Bewegung, an der sich viele Organisationen und Einzelpersonen beteiligten. Sie war deshalb so besonders, weil sich Christen vieler Konfessionen, Quäker und Juden zusammenschlossen, um hauptsächlich jüdische Kinder zu in Sicherheit bringen.

 

Getrennt von ihren Familien und ihrem Zuhause, fuhren die Kinder in einer Nacht- und Nebelaktion in eine ungewisse Zukunft. Dank der mutigen Rettungsaktion haben diese Kinder die grausame NS-Zeit überlebt – im Gegensatz zu den meisten ihrer Familienangehörigen, die ermordet wurden.

 

Die Kinder fuhren von Wien Westbahnhof in Richtung Holland, von wo sie per Schiff nach England reisten und schließlich in London Liverpool Station ankamen.

Die Rettungsaktion,  später als „Kindertransport“ bekannt, wurde von tapferen, aufopfernden Menschen gemeinsam mit den Eltern der Kinder organisiert. 

Rabbi Dr. Solomon Schonfeld

Einer der bedeutensten Organisatoren der Aktion war Rabbi Solomon Schonfeld, der persönlich tausende Juden aus den Fängen der Nazis in Mittel- und Osteuropa rettete. Der höchst charismatische und engagierte junge Mann schaffte es alleine, mehrere tausend Flüchtlinge nach England zu bringen und für seine „Fracht“ nicht nur Sicherheit, sondern auch ein zu Hause, Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeit zu schaffen.  Nach der Kristallnacht im November 1938, rief Julius Steinfeld, ein kommunales Oberhaupt in Österreich, Rabbi Schonfeld an und bat ihn inständig um die Zusammenstellung eines Kindertransports nach England. Rabbi Schonfeld kam sofort nach Wien und half dabei, einen Kindertransport für beinahe 300 Kinder zu organisieren. Er haftete persönlich für die Kinder, um für sie von der britischen Regierung die Einreiseerlaubnis zu bekommen. Schlussendlich rettete er mehr als viertausend Kinder.

Nicholas Winton

Nicholas Winton, besuchte Ende 1938 Prag. Er blieb nur zwei Wochen, Zeit genug, um ob des Flüchtlingsstromes vor der kurz bevorstehenden Invasion der Nazis, sehr beunruhigt zu sein. Er erkannte sofort die wachsende Gefahr und entschloss sich mutig dazu, alles zu unternehmen, um Kinder vor den Nazis in Sicherheit zu bringen. Für jedes Kind musste er Pflegeeltern finden, sowie eine finanzielle Minimalunterstützung von    £ 50 organisieren, zu der damaligen Zeit, ein kleines Vermögen, und darüber hinaus auch Geld für die Transporte auftreiben. In einem neun monatigen „Kampf“ schaffte er es, 669 hauptsächlich tschechische, aber auch österreichische und deutsche Kinder in 8 Zügen aus dem Gefahrengebiet zu transportieren.

Die Cristadelphians (Urchristen)

Die Christadelphians reagierten auf den Appell, Kinder, die vor der Unterdrückung der Nazis flüchteten, zu retten, indem sie Geld sammelten, um die Evakuierung zu finanzieren, und indem sie in ihren Gemeinden ein zu Hause für die Kinder suchten. Sie fuhren regelmäßig nach London, um dort die Ankommenden zu treffen und sich um die verängstigten und weinenden Kinder, manche erst drei Jahre alt, zu kümmern und sie halfen für diese Kinder ein zu Hause zu finden. Die Szenen, die sich dort abspielten, trieben sogar „gestandenen Londoner Bobbys“ (Polizisten) Tränen in die Augen.

 

Die Quäker

In den frühen Jahren des Dritten Reiches wurden die Quäker dafür bekannt, dass sie Juden und anderen, die vor den Nazis aus Europa flüchten wollten, bei der Flucht halfen. Sie reagierten auch auf das immer größer werdende Problem, dass die Eltern von Kindern und Säuglingen interniert oder in Konzentrationslager gebracht wurden und niemanden hatten, der sich um sie kümmerte. Deshalb übernahmen sie eine aktive Rolle bei den Kindertransporten. Die Nazis verboten, dass die abfahrenden Kinder von den Eltern bis zum Zug begleitet wurden, damit sich die Kinder nicht so allein fühlten übernahmen die Quäker die Elternstelle bis zum Einsteigen und manchmal fuhren sie auch eine kleine Strecke mit um die Kinder zu beruhigen.

 

Den geretteten Kindern der „Kindertransporte“ und ihren Rettern widmet die Londoner Bildhauerin Flor Kent ihre Skulptur „Für das Kind“. Die Skulptur stellt einen ca. 7 jährigen Buben dar, der auf einem Koffer sitzt. Der Koffer der Bronzeskulptur entspricht der Größe des einzigen Gepäcksstücks, das die Kinder auf ihre Reise mitnehmen durften. Vorbild für das in der Skulptur dargestellte Kind ist Sam Morris, der Urenkel eines der durch einen Kindertransport 1938 geretteten Kindes. Er ist gemeinsam mit seiner Urgroßmutter Sara Schreiber bei der Enthüllung der Skulptur am 14. März 2008 anwesend.

 

Flor Kent, in Venezuela geboren, schloss ihr Post - Graduate Studium in den USA ab, lebte danach einige Zeit im mittleren Osten und ging danach nach London wo sie einen Abschluss als Master of Science für „Site Specific Sculpture“ auf der Wimbledon School of Art erhielt. Sie kann auf mehrere internationale Ausstellungen verweisen. Heute lebt und arbeitet sie in London.

 

Die Skulptur „Für das Kind“ steht im Untergeschoss des Westbahnhof Wien (gegenüber des Zeitschriften Shops), von dem die Kinder damals abgereist sind. Die Aufstellung der Skulptur geht auf die Initiative von Milli Segal und der Künstlerin Flor Kent zurück und wurde mit Unterstützung der ÖBB-Holding AG und des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) ermöglicht.

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